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Design ist gestaltete Strategie

Maren Martschenko ist strategische Markenberaterin, Autorin und neu Dozentin am MAZ. Im Interview spricht sie über gestaltende Beratung, den Wert von Haltung in der Markenarbeit – und warum Design weit mehr ist als nur Form und Farbe.

In ihrem Buch «Design ist mehr als schnell mal schön» zeigt sie, wie Designer:innen von Dienstleistern zu gestaltenden Berater:innen werden und strategische Markenentwicklung aktiv mitgestalten. Mit ihrer Espressostrategie® begleitet sie kreative Selbständige, kleine Unternehmen und Startups dabei, sich auf das Wesentliche und das Wirksame zu konzentrieren.

Gab es einen roten Faden in deinem Leben, der dich dorthin gebracht hat, wo du heute stehst?

Meine Neugier und mein Eigensinn. Und vielleicht auch meine Begeisterung fürs Fernsehen, ganz besonders die Werbespots. Meine Mutter sagte einmal zu mir: «Wenn du deine Lateinvokabeln so gut könntest wie die Werbesprüche, hättest du eine 1.» Ich fürchte, das ist der rote Faden: Ich war schon immer sehr gut in Dingen, die mich wirklich interessiert haben, und nicht sehr gut in Dingen, die ich persönlich unnütz fand. Leider war und ist mir heute noch sehr leicht anzumerken, was der Fall ist. Zum Glück konnte ich meine Begeisterung für Menschen, gelungene Kommunikation und starke Marken zum Beruf machen. 

Wer hat dich inspiriert? 

Ich lasse mich bis heute unterschiedlich inspirieren, und zwar von Menschen in meinem Umfeld, in Medien, die ich lese oder sehe, auch aus ganz verschiedenen Bereichen: Kunst, Kultur, Wirtschaft, Natur. Sehr viele gute Ideen habe ich, wenn ich draussen in der Natur in Bewegung bin – sei es mit dem Fahrrad oder zu Fuss. 

Du bist Autorin des Buches «Design ist mehr als schnell mal schön». Wie kam es dazu?

Das Buch kam eher zu mir als ich zum Buch. Ich teilte mein Büro mit drei Designerinnen. Immer wieder beobachtete ich, dass sie bereits in der Briefingphase sehr viel beraten und konzipiert haben. Sie waren schon im Lösungsmodus, bevor sie den Auftrag hatten. Auch während des Designprozesses erledigten sie «nebenbei», was ich als Markenberaterin hauptberuflich und bezahlt tat. So rutschte ich mehr und mehr in die Rolle einer Mentorin. Meine Kollegin Claudia Siebenweiber, damals auch Vorständin beim BDG, meinte schliesslich zu mir: «Maren, dazu müsstest du eigentlich ein Buch schreiben.» Als ich die Idee bei meinem Lieblingsverlag pitchte, sah dies Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs genauso. Vom Buchvertrag bis zur Veröffentlichung vergingen dann noch einmal drei Jahre, in denen so viel passierte, dass ich ein eigenes Buch darüber schreiben könnte.

Maren Martschenko

Welche Entwicklungen in der Markenkommunikation und Positionierung siehst du als besonders relevant für die nächsten Jahre? 

In Sachen Markenkommunikation und Positionierung sehe ich eine zunehmende Bedeutung von Echtheit, Haltung und Kontext. Gerade für Kreative (ganz besonders die Selbständigen unter ihnen) wird es immer wichtiger, sichtbar, erkennbar, nachvollziehbar zu machen, wofür sie stehen und wie sie arbeiten. In einem Markt von erklärungswürdigen Produkten, die man nicht von der Stange und damit auch nicht nach Preis kauft, suchen Menschen kompetente und glaubwürdige Persönlichkeiten mit klarer Haltung, mit Ecken und Kanten.

Gleichzeitig beobachten wir, dass auf Community-Plattformen wie Linkedin oder Substack platte Selbstvermarktung nicht funktioniert. Es sind Räume, in denen Beziehungen entstehen und gepflegt werden. Das erfordert eine persönliche, dialogorientierte Kommunikation. Wer sich hier klar positioniert – nicht durch Hochglanz, sondern durch kluges Storytelling, Konsistenz, Klarheit und einen echten Blick hinter die Kulissen des Kreativprozesses – wird auf den Schirm der Zielgruppe kommen und sich so mittelfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Ausserdem spielt die Kombination aus menschlicher Kreativität und technologischem Fortschritt – etwa durch KI – eine wachsende Rolle. Wer es schafft, neue Tools nicht als Bedrohung, sondern als Erweiterung der eigenen Handschrift zu begreifen, kann neue Ausdrucksformen entwickeln und seine Marke ganz neu denken. 

Für Kreative wird es entscheidend sein, eine Positionierung zu finden, die nicht starr ist, sondern sich als lebendigen Organismus versteht – der mit der eigenen Entwicklung und der des Marktes stetig mitwächst. Das ist wahrscheinlich die grösste Herausforderung für viele. Denn es bedeutet, immer wieder auch den Fokus weg vom kreativen Prozess auf sich selbst zu lenken. 

Du bezeichnest dich als gestaltende Beraterin. Was kann man darunter verstehen?

Bridget van Kralingen, Senior Vice President IBM Global Business Services, sagte einmal: 
«Es gibt keinen echten Unterschied mehr zwischen der Geschäftsstrategie eines Unternehmens und der Gestaltung des Benutzererlebnisses. Die letzte beste Erfahrung, die ein Benutzer irgendwo hat, bestimmt die Erwartungshaltung an weitere Erlebnisse.»

Als strategische Markenberaterin sehe ich mich in der Rolle, positive Kundenerlebnisse oder auch Mitarbeitererlebnisse zu gestalten. Den Weg dorthin fundiert durch kluge Fragen und co-kreatives Konzipieren zu definieren, ist die strategische Aufgabe von gestaltenden Berater:innen. Für diesen Ansatz der gestaltenden Beratung sehe ich Designer:innen geradezu prädestiniert. Der Prozess ähnelt dem Designprozess sehr – nur dass am Ende andere Ergebnisse stehen. 

Du bist eine erfahrene kreative Unternehmerin und wirst nun am MAZ unterrichten – worauf freust du dich besonders, und was siehst du als die grösste Herausforderung?

Aus vielen anderen Workshops weiss ich, dass Kreative besonders offen für den kreativen Prozess sind und sich kollegial gegenseitig voranbringen. Es entsteht eine Atmosphäre, in der aus Ideen Impulse werden – und aus Impulsen oft überraschend schnell konkrete Lösungen.

Ich freue mich darauf, gemeinsam mit den Teilnehmenden an echten Fällen zu arbeiten und sie dabei zu unterstützen, ihre Beratungskompetenz sichtbar und wirksam zu machen – nicht als neue Rolle, sondern als Erweiterung ihrer bestehenden Expertise.

Die grösste Herausforderung sehe ich darin, die sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen und Erwartungen in Einklang zu bringen. Aber genau darin liegt auch die Chance: voneinander zu lernen, neue Perspektiven einzunehmen und das eigene Profil zu schärfen. Und das in einem geschützten Rahmen, in dem Ausprobieren und Scheitern ausdrücklich erlaubt sind. Es ist eine schöne Herausforderung – und ich weiss aus Erfahrung: Das kann richtig Spass machen.

Welchen Kurs wirst du am MAZ unterrichten?

«Design und Strategie – Beratungskompetenz für Kreative»: Design ist mehr als Form und Farbe. Design ist gestaltete Unternehmensstrategie.

Was möchtest du den Teilnehmer:innen des Kurses mitgeben?

Kommt mit einem offenen Mindset. Ihr werdet sehen: Alles ist schon da – gerade die Beratungskompetenz. Gleichzeitig dürfen bestimmte Vorstellungen von Beratung und Berater:innen über Bord geworfen werden. 

Gerade in der Markenentwicklung stehen Kreative immer wieder vor neuen Tools, Methoden und Trends. Wie findet man die richtige Balance zwischen Innovation und einem klaren, eigenen Ansatz?

Das ist echtes Spannungsfeld: Auf der einen Seite gibt es neue Tools, Methoden und Trends, die verlockend sind – und oft auch sinnvoll. Auf der anderen Seite braucht es einen klaren, eigenen Ansatz, der nicht bei jeder Welle die Richtung wechselt.

Wem das gelingt, ist «system smart» – wie ich es nenne. Damit meine ich, du schaffst dir Strukturen, die individuell für dich funktionieren. Es ist wie beim Einräumen einer Spülmaschine: Man probiert, verändert, verwirft und irgendwann findet man ein System, das für einen selbst passt. Und nur für einen selbst. 
Es geht also nicht darum, ständig auf das nächste Tool aufzuspringen oder dogmatisch an einer Methode festzuhalten. Sondern darum, bewusst zu wählen: Was passt zu meiner Arbeitsweise? Was bringt wirklich Mehrwert – für mich und für meine Kund:innen?

Die richtige Balance entsteht, wenn Innovation nicht zum Selbstzweck wird, sondern zur Weiterentwicklung der eigenen Handschrift beiträgt. Ein smartes System hilft dabei, zwischen Hype und hilfreicher Neuerung zu unterscheiden – und dabei der eigenen Linie treu zu bleiben.

Gibt es eine Inspiration oder einen Tipp für den Alltag, den du unseren Leser:innen mitgeben möchtest?

Bau dir eine Positionierung und mit ihr ein System, das dir Freiraum schafft, anstatt dich einzuengen. So bleibt mehr Zeit für das, was du am besten kannst: kreativ sein.

Wir danken dir für das spannende Gespräch.

Danke für die spannenden Fragen – sie haben mich nicht nur zum Antworten, sondern auch zum Weiterdenken gebracht. Ich freue mich schon jetzt auf die Gespräche im Workshop, in denen wir gemeinsam genau da ansetzen können: hinter dem Offensichtlichen, im Kern der Sache. 

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