Veranstaltung

KI im Journalismus: Zwischen revolutionären Tools und ethischen Fragen

Wird KI den Journalismus revolutionieren oder bedrohen? Ein hochkarätiges MAZ-Webinar beleuchtete Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz in Redaktionen.
Von Reto Vogt 

Nadia Kohler (Leiterin AI Lab Tamedia), Angela Müller (Direktorin AlgorithmWatch Schweiz), Hera Zimmermann (Inhaberin Tings Social Media Agentur) und Jan Ludwig (Team Lead OSINT NZZ) diskutierten im September 2025 die Auswirkungen von KI auf die Medienlandschaft. Die einstündige Diskussion fand als MAZ-Webinar im Rahmen der Swiss {ai} Weeks statt und beleuchtete sowohl die Chancen als auch die Risiken, die mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Medienalltag einhergehen.

Zoom Call mit Expert:innen

Archive werden zu Goldminen 

Besonders eindrücklich zeigten die Beispiele aus der Praxis, wie KI bereits heute Redaktionen revolutioniert. «Bis vor kurzem mussten unsere Journalistinnen und Journalisten googeln, was wir bereits publiziert haben, weil es so schwierig war, unser Archiv zu durchsuchen», sagte Nadia Kohler von Tamedia. Das geht nun einfacher – dank der KI-gestützten Funktion «Ask the Archive». Mitarbeitende können nun bisherige Publikationen nicht nur einfacher finden, sondern auch gezielt in neue Artikel einbinden.  

Wenn Fake-Erkennung zum Katz-und-Maus-Spiel wird 

Gleichzeitig wachsen die Herausforderungen, weil mit KI auch immer bessere Fälschungen erstellt werden können. Gleichzeitig entstehen parallel auch bessere Tools zur Erkennung von Manipulation. «Es bleibt ein Katz- und Mausspiel», sagte Osint-Spezialist Jan Ludwig von der NZZ. Zur Erkennung von Fakes empfiehlt der Experte die Google-Rückwärtssuche. So könnte einfach verifiziert werden, ob es sich um ein neues Bild handelt oder ob ein altes einfach rezykliert wird. Letzteres sei das grössere Problem, als eigentliche KI-Fakes. Nämlich «dekontextualisierte Bilder, also echte Bilder in falschen Zusammehängen».  

Populisten als Vorreiter der Algorithmus-Mechanik 

Ein brisanter Aspekt der Diskussion beleuchtete, wer die Social-Media-Algorithmen am erfolgreichsten für sich nutzt. «Wer es als erstes ein bisschen geschnallt hat, sind eigentlich die populistischen Parteien», erklärt Social-Media-Expertin Hera Zimmermann. Die AfD beispielsweise habe trotz geringem Wähleranteil schnell verstanden, wie der Facebook-Algorithmus funktioniert und wurde so zur erfolgreichsten Partei auf Social Media. Der Schlüssel liegt in der Erkenntnis, dass Algorithmen auf Emotionen setzen: Social Media sei dann erfolgreich, wenn du die Menschen zum Lachen, Brüllen oder Nachdenken anregst. 

Regulierung UND Medienkompetenz 

Als Lösungsansatz sehen die Experten nicht das "Eine oder das Andere", sondern eine Kombination aus: 

  • Regulierung der Plattformen und Unternehmen 
  • Verbesserung der Medienkompetenz und der Demokratiekompetenz 
  • Stärkung der Forschung zu Technologie-Auswirkungen 
  • Unterstützung für qualitätsorientierten Journalismus 

Das Fazit: Chancen überwiegen – mit Vorsicht 

In der abschliessenden Runde überwiegt der Optimismus: Die meisten Podiumsteilnehmer sehen KI primär als Chance, betonen aber die Notwendigkeit eines bewussten und kritischen Umgangs. «Man muss sich aber immer fragen, Chancen für wen und Risiken für wen? Ich glaube, das ist nicht immer für alle das Gleiche», sagte Angela Müller von Algorithmwatch. 

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